LP Review: Marathonmann - Die Angst sitzt neben dir (2019)

Beim Namen Marathonmann denke ich oft noch zuerst an den schönen Track der Band Motormuschi. Und ehrlich: das tut mir irgendwie leid, denn die Münchner Band ist viel zu großartig, um auf diese Assoziation reduziert zu werden. Immerhin haben die vier Münchner innerhalb der letzten acht Jahre einen gleichermaßen qualitativ wie quantitativ vorzüglichen Output vorzuweisen, und auch ihre Präsenz auf Touren und Festivals ist eine äußerst angenehme Angelegenheit.
Drei Jahre nach der Veröffentlichung von "Mein Leben gehört dir" liegt heute der neueste Rundling auf meinem Plattenteller. Das gute Stück heißt "Die Angst sitzt neben dir", bringt mit einem Dutzend neuer Tracks etwa vierzig Minuten Spielzeit auf die Ohren und ist bei Redfield Records erschienen.
Ein erstes Anhören bestätigt schnell meine Annahme, dass ich Lust bekomme, den Lautstärkeregler nach oben zu drehen. Marathonmann bleiben bei ihrem starkem Konzept von (Post-) Hardcore Punk, mit melancholischen Melodien, reflektierten Texten, und einer allgegenwärtigen aber nie schmalzigen Portion Pathos und Gefühl.
Während die Nadel durch die Rillen wandert, präsentieren sich Marathonmann auf "Die Angst sitzt neben dir" mit düster-schönen Melodien, die sich nicht scheuen, Disharmonie als gekonntes Stilmittel einzusetzen. Schleppende bis flott nach vorne treibende Beats paaren sich mit einem massiven Bass zum Fundament, auf dem die zwei Gitarren mal warm und vollklingend bis trocken metallen wunderschöne Klangbilder malen. Der Gesang ist wie gewohnt rau, oft etwas gedrückt, mal kratzig und immer im melodischen Einklang mit seiner Umgebung.
Cleane Passagen wie im Opener "Totgeglaubt" oder in der traurigen Geschichte "Die Bahn" kommen mir präsenter vor als auf älteren Veröffentlichungen von Marathonmann. Auch ist das zentrale Echo im Song "Stigmata" ein Phänomen, das ich so nicht unbedingt zuerst erwartet hätte, was mir aber dennoch sehr gut gefällt. Marathonmann haben sich in mehrerlei Weise auf "Die Angst sitzt neben dir" weiterentwickelt oder sogar ein bisschen neu erfunden, was auch am sehr tanzbaren Rhythmus in "22 Meter Sicherheitsabstand" oder den schleppend-melancholischen Hardcore Parts in "Tausende Augen" zum Ausdruck kommt.
Dass Marathonmann auf "Die Angst sitzt neben dir" mit intelligenten, (selbst-) reflektierten, teilweise traurigen, und auch mal angepisst wütenden Texten auftrumpfen, dürfte wohl niemanden überraschen. Es geht um Entfremdung, Konsum und Überfluss, Hoffnung, Trauer und Abschied, Gewalt, Trennung, und die Ermutigung nicht aufzugeben. "Die Angst sitzt neben dir" ist zeitlos wie auch topaktuell. In mindestens einem der Tracks findet sich jede Person doch irgendwie wieder; manche mehr, andere weniger. Ob persönlich, politisch oder auch als pure Wiedergabe des Zeitgeists haben Marathonmann eine Platte geschaffen, die man sich beim gemütlichen Beisammen sein, zum Pogo im Park oder auch alleine gut zu Gemüte führen kann.
"Die Angst sitzt neben dir" von Marathonmann ist eine großartige Scheibe für Fans von Turbostaat, Nein!Nein!Nein!, Just Went Black, Duesenjaeger, Pascow, und tatsächlich ruhigeren Schienen wie Schrottgrenze, Muff Potter, und irgendwie auch Days in Grief.
Die Mischung aus rauem Hardcore und Punk Rock, Screamo, und melodischem Crossover macht die Platte zu einem runden Ding. "Die Angst sitzt neben dir" geht wundervoll ins Ohr und macht in jedem Moment Freude beim Zuhören. Das ist eine der gefühlvollsten und dennoch brachialen Veröffentlichungen, die mir seit langem untergekommen ist, und ich bin ein großer Fan dieses Albums.

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