EP Review: Koljah - Aber der Abgrund (2019)

Koljah's Crewkollege Danger Dan von der Antilopen Gang hat es folgendermaßen angekündigt: "Koljah hat kein Album geschafft, sondern nur eine EP". Koljah selbst schrieb erst vor ein paar Tagen "mir fallen natürlich am laufenden Band Sachen auf, die man hätte anders machen sollen". So viel erstmal zur Crew-internen und selbstreflektierten Kritik. Hier ist wiederum meine Einschätzung zu den sieben Tracks, die auf "Aber der Abgrund" gelandet sind. Immerhin bittet Koljah in "Hauptsache Geld" persönlich um eine Rezension.
Koljah hat hier eine düstere Platte vorgelegt, und damit meine ich nicht nur das Cover. Dunkel marschieren die Beats über die zwanzig Minuten des Rundlings. Mit schwarzem Humor und viel Selbstreflexion vertont Koljah Zweifel, Trauer um den verstorbenen Kollegen NMZS, Todessehnsucht, Verzweiflung, und auch einen gestreckten Mittelfinger. Auch dass sich bei den Antilopen spätestens seit "Aversion" viel geändert hat, kommt deutlich auf "Aber der Abgrund" rüber: das Spektrum des Rückblicks reicht hier vom Opener "Hauptsache Kohle" bis zu "Ich hab' ein Dach über dem Kopf und ich hasse mein' Job" im Track "Immerhin etwas".
Anders als bei seinen Auftritten auf den Crew Alben präsentiert sich Koljah auf "Aber der Abgrund" sehr viel persönlicher. Dass dabei politische Themen in den Hintergrund geraten, hat mich zunächst überrascht, stört aber beim Hören nicht. Auch der Punk Rock Einfluss in der Musik bleibt hier vollends aus. Stattdessen wabern die Beats in schleppendem Mid-Tempo voran, während Piano- und Blues-Samples die düstere Atmosphäre aufbauen.
Koljah's Stimme wird mit viel Variation eingesetzt. Mal flowt er locker und flott über die Tracks, an anderen Stellen kommt er eher ins Erzählen, und auch sein Pöbel Style bleibt nicht auf der Strecke. Beat und Stimme korrelieren sehr schön. Die Abstimmung zwischen den Instrumentals und Koljah's Stimmlage gefallen mir tatsächlich besser als auf den eher lauten Beats vieler Antilopen-Songs. Unterstützung am Mic bekommt er auf "Aber der Abgrund" sowohl von seinen Gang-Kollegen als auch von Destroy Degenhardt und Prezident.
Koljah's neue EP verfolgt einen wunderschönen und eher untypischen roten Faden, der bei noch eher positiven Gedanken und Selbstprofilierung beginnt, zur Mitte der Platte in ein seelisches Tief sinkt, und sich bis zum Ende wie Münchhausen selbst am Schopf wieder aus dem Sumpf zieht. Spätestens bei dem Dendemann-Sample "es geht mir gut; es geht mir sehr, sehr gut" im Titel "Die große Show" wird klar, dass sich Koljah nach "Zweifel" und dem "Mausoleum" wieder fängt. Es ist wie der Alltag mit seinem Auf und Ab, mit seinen Tiefpunkten, die man am besten selber überwindet. So betrachtet kann die EP sogar auch Therapie sein. Auch wenn's am Ende nicht alles rosa und wunderschön ist, ist es dennoch nicht lähmend und schwarz, und da kann man dem Tod, dem Suizid, dem Krebs und dem Heroin auch mal entschieden den Mittelfinger zeigen, wie Koljah es im letzten Track eben tut.

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