LP Review: Kotzreiz - Nüchtern unerträglich (2020)

Meine erste Begegnung mit der Band Kotzreiz war zu der Zeit, als man auf den Namen noch erwiderte: "Welche? Die aus Berlin oder die ohne Haare?". Ich lag auf der Rückbank des Würzburger Punk Mobils auf der Rückfahrt vom Frost Punx Picnic und wollte sehr gerne schlafen. Leider fand ich das Album "Du machst die Stadt kaputt" viel zu gut und viel zu lustig, weshalb ich wach geblieben. Seitdem lief die erste Scheibe von Kotzreiz auf Hot Rotation bei mir. Das zweite Album "Punk bleibt Punk" wiederum ist irgendwie fast komplett an mir vorbei gegangen. Ich werde das mal bei Gelegenheit nachholen.
Wie dem auch sei. Es ist 2020. Und wer ist wieder da? Genau. Kotzreiz sind wieder da. Die superironische, minimalistische, immer durstige, feierwütige Hipster Punk Band aus der Hauptstadt des Bundeslandes Berlin. Nach acht Jahren ohne Release steht jetzt die dritte Platte "Nüchtern unerträglich" in meinem Schrank. Die 23 Minuten Punk Rock, Spaß, Trinkwut und noch viel mehr sind seit 20. März über Aggressive Punk Produktionen und Out of Vogue erhältlich.
In den acht Jahren scheint in der Kotzreiz WG einiges passiert sein. An diesem sagenumwobenen Ort wurden alle Songs geschrieben, aufgenommen und auch produziert. Bei den elf Tracks auf "Nüchtern unerträglich" sind die knackigen Deutschpunk Nummern enthalten, die man auf einer Kotzreiz Platte erwartet. Dazu gehört neben dem vorab präsentierten 'Wer is wieder da' die flotte Nummer 'Eiskalte Ohren', die wütende Pogo Attacke 'Ratten im System', der fröhliche Sommerhit 'Nix zu verlieren' und die traurige Konfrontation mit der Realität 'Ich bin ein Wrack'. Alles sehr schöne Lieder mit klasse Texten; ich bin begeistert.
Viel mehr Aufmerksamkeit möchte ich aber den Tracks widmen, die nicht ins typische Schema K passen. In schunkeliger Katerstimmung und mit Unterstützung an der Gitarre The Ace wankt der Titeltrack in die Thematik der Platte herein. Mit ein bisschen Schlagereinfluss wird die immer öfter wiederkehrende Frage aufgebracht "Was läuft hier eigentlich schief?", beziehungsweise die Frage, ob wir einfach zu oft betrunken sind oder die ganze Welt wirklich verrückt geworden ist.
Voller Nostalgie an die Zeiten, in denen man sich die ersten paar Nieten in die Jacke gerammt hat und sich als Liebesbeweis gegenseitig Tapes gemacht hat, füllt die Rock'n'Roll Ballade 'Punk Boys don't cry' das eine oder andere Glas. Weniger Tränen und stattdessen sommerlichen Durst werden im lockeren Surf Rock Track 'Sambuca Beach' erzeugt.
Meine persönlichen Highlights abseits der schnellen Punk Rock Songs und Zeilen wie "Nachts sind alle Punker blau" oder "Ich würde mir gern die Zähne putzen aber es sind keine mehr da" sind jedoch die Tracks mit den weiteren Gastauftritten. Auf leichtfüßig tanzbarem Synthie Wave feiern Emilie Krawall zusammen mit Kotzreiz eine schüchterne Disko Nacht im Lied 'Toilettenstern'. Und im letzten Track 'Der räudige Aal' nimmt sich Andrea Pestpocken wie einst WTZ in 'Pennerpank' eklige Arschlöcher vor, die aus irgendwelchen Gründen den Anspruch an sich selbst erheben, Punker genannt zu werden. Anders als im Song der Würmtalzecken werden in der Synthie Pop Nummer auch rechtsorientierte Querfront Deppen und sexistische Widerlinge mit ins Visier genommen - absolut wichtig und leider nötig.

Fazit:
Geile Platte, macht echt viel Spaß. Ich hab jetzt Bock zu trinken, zu tanzen und dann weiter zu trinken.
Übrigens ist das Album auch nüchtern erträglich. Besoffen ist es aber besser. Ich würde es mal als "Deutschpunk und mehr" kategorisieren.
Achja und bei 'Nix zu verlieren' hatte ich erst gedacht, mein alter Spruch "Keine Hose, kein Problem" wäre zitiert worden. Ist aber nicht so. Trotzdem schön. Prost!


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